Wenn Dashboards blind machen….

Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass es die resilienten und adaptiven Unternehmen sind, welche das Rennen in unruhigen und unsicheren Zeiten machen.

Doch bleibt bei all dem Beschwören von Adaptivität, Risikobewusstsein und Absorbtionsfähigkeiten bei den künftig resilienten Organisationen eine Frage offen. Warum ist die Schere zwischen den Absichtserklärungen auf der Führungsebene und deren operativer Umsetzung so weit gespreizt?

Hartgesottene Transformationsberater würden jetzt umgehend in die Trickkiste greifen und mit der Druckerschen Plattitüde von “Culture eats strategy for breakfast” antworten.

Ich versuche es mal auf dem pragmatischen Weg und stelle die Frage: Auf Basis welcher Informationen wird an der Front und wie wird an der Linie geführt.

Noch präziser ausgedrückt: Nach welchen Regeln und Mechanismen gehen die Führungskräfte an der Front, an der Linie und an der “Brücke” mit Informationen um, vor allem, wie werden sie damit beliefert…

Was feststellbar ist.

Kaum eine Führungsebene wird derzeit von den Segnungen der allzeit präsenten

  • Dashboards

  • Heatmaps

  • Portfoliosichten

  • Tasks und Backlogs

verschont

Mit diesen Mitteln wird “effizenzgetrieben” entschieden und geführt:

  • Man erkennt, wo etwas

    • wie weit fortgeschritten ist

    • was alles zu tun ist, um ein Einzelziel zu erreichen

    • den Umsetzungsstatus im Lebenszyklus

    • den Kostenverbrauch

Gerade bei der Umsetzung und Führung von Unternehmen, Unternehmenseinheiten und Fachbereichen ist diese Logik aber in “stürmischen oder spannenden” Zeiten nicht ganz ungefährlich.

Ein Beispiel aus der Seefahrt. Sie steuern als Kreuzfahrtschiff-Captain die Gestade von Tonga an. Das Dashboard sagt Ihnen:

  • 32 Grad

  • Wolkenlos

  • schwach bewegte See

  • klare Sicht

Die Realität sieht dann ungefähr so aus:

Kurz, sie sind als Führungskraft der Dashboard-Illusion aufgesessen. Denn Dashboards werden und wurden immer so aufgesetzt, dass Sie nicht nur die Führung unterstützen, sondern auch die Führungskräfte in eine spezifische Richtung triggern und steuern (manchmal bewusst, sehr oft unbewusst). Dummerweise lässt sich das Thema “Effizienz” und Zielerreichung zu einzelnen Massnahmen am besten umsetzen und verkaufen, alles andere wäre ja zu kompliiziert.

Das ber bestätigt die These, dass jegliche strategische Absichtserklärung torpediert wird, wenn die Informationsversorgung aller Führungsebenen und die eingesetzen IT-Systeme nur darauf ausgerichtet sind, dass mit minimalen Kosten, auf die einzelne Massnahme fokussiert, die maximalen Ertragserwartungen zu einem spezifischen Projekt, einer Massnahme oder einer Aufgabe erfüllt werden sollten.

Im Rahmen einiger meiner Projekte, die sich vor allem darum kümmerten das Thema Risikomanagement und Resilienz unternehmensweit zu etablieren, kristallisierten sich heraus, dass just die derzeitigen genutzten Dashboards keine einzige Führungsebene wirklich so unterstützte, dass man

  • Risiken und Potentiale erkennen konnte

  • Abschätzen konnte, wieviel “Schaden” man als Organisation verkraften konnte

  • Wie tief ein potentielles Schadensereignis wirklich wirken würde

  • Was man aus zuvor eingetretenen “Disruptionen” gelernt hat

Eine meiner Lösungsansätze: Neben den Top-Down sollte man die Anreizsysteme ändern, die es belohnen nur bis zum nächsten Quartal zu denken. Vielmehr sollte man die Informationsversorgung aller Führungsebenen nach dem untenstehenden Schema strukturieren

  • Auftrag

    • Was ist der Auftrag der Organisation

    • In welchem Gesamtzusammenhang steht dieser Auftrag zu anderen Aufträgen anderer Organisationen

    • Welches Ziel wird die kommenden 6 oder 12 Monate angepeilt

  • Welche Risiken sind während dieser Zeit für die Organisation am relevantesten

  • Erfolgsrelevante Fähigkeiten

    • Was muss die Organisation heute können

    • Was muss sie in Zukunft können

    • Was kann sie in mittlerer Zukunft vergessen

    • Welches Kontrollniveau herrscht derzeit auf diesen Fähigkeiten

      • Informationsversorgung

      • Ablaufskontrolle

      • Risikoeinstufung (wie gefährlich ist es, diese Fähigkeit nicht kontrollieren zu können)

      • Leistungsbeitrag zur festgelegten Zielerreichung

  • Massnahmen

    • Was wird getan

    • Wer ist dafür verantwortlich

    • Wie ist die Massnahme mit Ressourcen und Budget unterlegt

    • Welche Zusammenhänge gibt es zu anderen Aufträgen

  • Status der Massnahme

    • Was ist bereits nutzbar

    • Was ist inzwischen irrelevant

    • Was wäre der nächstlogische Schritt

    • Wie hat sich durch die Umsetzung der Massnahme das Kontroll-Level der Fähigkeiten und das Risikoprofil der Organisation verändert

  • Effizienz der Massnahme

    • Zielbeitrag

    • Lernkurve

    • Beitrag an das betriebliche Kosten-Ertragsprofil

  • Informationsversorgung und Entscheidungsabgleich

    • Welche Information

    • Wird wann, wie, an welchem Ort, in welchem Format, warum gebraucht, um entscheiden zu können

    • Führungsrhythmus innerhalb der Organisation, zu dem die entsprechenden Informationen immer bereit sein müssen

Im Grunde genommen stellt es sich so dar. Derzeit ist die digitale Informatonsversorgung so ausgestaltet, als würden nur Energieverbrauch, Fortschrittskontrolle und das Erreichen von Landmarken erfasst, gemeldet und visualisiert werden. In Seemannssprache - Schönwettersysteme ohne Sonar, Messung von Seegang, Wind und Radar.

Kein Wunder also, dass verantwortungsvolle C-Levels Unzeiten damit verbringen, sich stundenlang in Einzelmeetings das an Infos zu holen, was Ihnen IT-Systeme nicht liefern wollen und können.

Damit stellt sich aber eine grundsätzliche Frage:

Wie kann man führen, wenn man weder

  • Kontext

  • Ziel

  • Zusammenhänge

  • Lücken und Risiken

nur dann erkennen kann, wenn man auf IT-Systeme verzichtet.

Zeitgleich aber die zeitnahe Informationsversorgung und Auswertung von erfolgs- und risikorelevanten zum Überlebensfaktor wird.

Wäre es nicht langsam an der Zeit sich die Frage zu stellen, welche Fragen man als Führungskraft wirklich stellt und welche Fragen einem via “Informationsversorgung durch die IT” bereitgestellt wird. Respektive, warum es derzeit so schwierig für all diese Führungksräfte es ist, wirklich verantwortungsbewusst und nachhaltig zu führen

Ich denke viele Strategieberater, Methodenpäpste und Frameworkevangelisten haben diese Problemstellung schlichtweg ausser Acht gelassen.

Weiter
Weiter

Vom Aufbauen neuer Baustellen und Schliessen alter Lücken