Wie im letzten Jahrhundert
Aufgefallen ist mir das Ganze im Laufe der letzten 6 bis 8 Monate. Nach den ersten Restrukturierungs- und Konsolidierungsmassnahmen innerhalb der viral gebeutelten Wirtschaft, kam der Gedanke wieder hoch, dass man sich neu ausrichten müsse.
Es mag auch nicht verwundern, dass daher just jetzt viele Strategieberater (egal ob jetzt mit digitalem, agilem oder sonstigem Beigeschmack) Morgenluft rochen und just wieder mit Ihren Strategie und Beratungsmodellen auftauchten.
Eine kurze Recherche dazu zeigt, immer wieder neue eingefärbte Muster, von schon altbekannten Modellen.
Was ja im Grunde ja auch Sinn macht. Der künftige Auftraggeber konnte sich sofort in schon bekannten Schemata wieder erkennen, Vertrauen fassen und loslegen.
Wäre da nicht ein kleines Detail, das mich hier gewaltig stutzig gemacht hat. Wieso hat sich die Welt seit Abschluss meines eigenen Studiums (1998) noch nicht weitergedreht?
Denn viele dieser Strategiemodelle ruhten auf der Prämisse, dass der Umsetzungserfolg der geplanten Strategie auf folgenden Säulen ruht:
Das Bild zeigt einen klaren Fokus darauf, dass es gilt, in einem spezifischen Umfeld mit der Konkurrenz umzugehen, unverwechselbare Produkte zu schaffen, Barrieren für neue Mitbewerber aufzubauen, die Verhandlungsposition zu Lieferanten fortlaufend zu stärken und die Kundenbeziehung zu kontrollieren.
Maxime: Je stärker meine Positionierung und je mehr an Ressourcen, desto besser!
Das gesamte Bild ist also nach dem Klausewitzschen Paradigma von Dominanz und Macht ausgerichtet. Dem Kunden legt man am Ende eine im Grunde schwer ablehnbare Alternative vor, um am Markt zu partizipieren, im besten Falle um den Markt und die Kundenbeziehung selbst zu beherrschen.
Friss oder Stirb, könnte man hier wohl politisch inkorrekterweise meinen.
Nun aber zu dem Punkt, der damals von untergeordneter, aber heute von entscheidender Bedeutung ist. Wie haben sich die Kunden damals verhalten, informiert und entschieden?
Die Informationsflüsse liefen in der Regeln vom Lieferanten zum Kunden, Referenzen wurden zu ausgesuchten Partnern eingeholt, die Bedürfnislandschaft entwickelte sich langsam aber stetig, der Kunde ruft die Leistung ab, der LIeferant liefert. Der Kunde konnte sich beim LIeferanten gegebenenfalls beschweren, aber im öffentlichen Raum zu Produkten und LIeferanten sein Missfallen äussern, war eher die Ausnahme denn die Regel.
Viele Strategien waren also mit diesem Leitgedanken unterlegt:
Wir als LIeferant wissen, was gut für unsere Kunden ist. Also kümmern wir uns jetzt um den Rest der strategischen Gleichung.
Der Primat der eigenen Position vor dem Kundenwunsch mag in einzelnen wenigen Sektoren vielleicht heute noch der Fall sein, aber im Grunde genommen hat sich schon mit dem Anwachsen all derer, die sich heute digital Natives nennen,all dies geändert.
Sind diese “digital Natives, Citizens etc.” doch heute nicht nur Konsumenten, sondern auch an den Schalthebeln der heutigen Unternehmen. Und diese Menschen denken und handeln anders, als sich Porter, McCarthy, Drucker, Mintzberg und all die Quälgeister unseres früheren BWL-Studiums es sich vorgestellt haben
Diese heutigen Kunden äussern sich heute öffentlich zu dem, was Lieferanten so alles liefern. Sie haben heute auch keine Scheu mehr mit Shitstorms, der Macht der sozialen Netze neue Ideen entweder in den Himmel hoch, oder in die Hölle hinunter zu jagen. Der zahlende Konsument von heute klickt heute einfach weg und beendet Beziehungen ohne weiteren Kommentar.
Kundenbedürfnisse ändern sich heute blitzartig, nicht langsam oder stetig. Der Informationsfluss läuft nicht mehr vertikal vom LIeferanten zum Kunden, die Zeit der Experten, der informativen Dominanz der LIeferanten und der nur eingeschränkten Vergleichsmöglichkeiten von Leistungsabnehmern ist auch vorbei, auch wenn dies eine unangenehme Wahrheit ist.
Womit eigentlich für die Strategen und Berater des 21en Jahrhunderts folgende Schlüsse gezogen werden müssten:
Entscheide von Kunden bauen heute wie damals immer auf das Informations- und Entscheidungsverhalten innerhalb eines Wettbewerbsumfeldes auf, aber exakt dieses Verhalten hat sich nun verändert.
Bauen Sie Strategien also so auf, dass sie im Endergebnis immer auf eine sich ständig bestätigende Kundenbeziehung hinauslaufen - Kunden klicken heute weg, Kunden haben heute die Wahl, Kunden können sich auch wehren! Mit reiner Position alleine, können heute keine Schlachten mehr gewonnen werden!
Achten Sie nicht nur darauf, welche Bedürfnisse bedient werden sollen, achten Sie auf den gesamten Weg, denn jemand vom Beginn einer Kundenbeziehung bis zur Beendigung einer solchen geht, welche Erfahrungen und Werte für Konsumationsentscheide gelten, sich ändern und warum
Beherzigen Sie, dass die Wettbewerbsstärke nicht davon abhängig ist, wie die eigene SWOT-Einschätzung ausfällt, sondern mit welchen Fähigkeiten, Kenntnissen und mit welchen Beziehungen und Argumenten man in einen Markt hineingeht und dort allfällige Marktsignale frühzeitig erkennt, um Anpassungen vorzunehmen
Denken Sie daran, dass jede Aktion innerhalb einer strategischen Roadmap, die gesamte Landschaft rund um Sie herum ändert, ergo gelten nicht mehr die Annahmen, die zu Beginn der Strategie gegolten haben. Das aber bedeutet, preussisch höriges Abarbeiten einer Roadmap ist sinnlos!
Beiss nie die Hand, die Dich füttert - Unterschätze nie die informativen Vorsprünge Deiner Kunden - und lerne es mit deinem Kunden mitzuleben, wenn du mit ihm im selben Markt längerfristig zusammenleben willst.
Damit wären die Ansätze von McCarthy (Die 4 Ps aus dem Jahre 1960), Porter (die 5 Kräfte , 80er Jahre) und die verschiedenen SWOT- und Portfolio-Ansätze von der BCG und McKinsey strategisch eher die zweite Wahl, sicher aber keine valable Maxime für die heutige Strategieerstellung. Aber sie halten sich stetig, vielleicht weil wir uns einfach daran gewöhnt haben, ohne deren Relevanz jemals zu hinterfragen.
Doch müsste eine nachhaltige Wettbewerbsstrategie heute eher auf diesen Faktoren aufsetzen:
Relevant für heutige Strategien ist heute eher das Erkennen, welche Kräfte zusammenwirken, um innerhalb einer Kundenbeziehung oder Marktpositionierung als Player relevant zu bleiben.
Wer schneller erkennt und besser ein Bedürfnis bedient, ist hier im Vorteil und nicht derjenige, der Information und Ressourcen kontrolliert.
Was bedeutet, dies nun für das Erarbeiten von Geschäftsstrategien, in denen mehr und mehr digitale Komponenten und Interaktionsschnittstellen mit Kunden Eingang finden.
Es braucht auch neue Expertise und Denkmodelle, solche die mit Bewegung, mit Wandel, mit Dynamik umgehen können und nicht nur mit starren Schemata.
Wie solche aussehen können, kann man sich durch Briefings von uns näher erläutern lassen
Anmerkung für den nächsten Blog: Hier werden bislang bekannte Vorgehensmodelle der Strategieentwicklung mit denen verglichen, die heute bei den Vorreitern der digitalen Welt Anwendung finden.
Warnung: Sie werden erkennen, warum sich viele altgediente Unternehmenskapitäne heute so fühlen, wie weiland Xerxes in der Seeschlacht von Salamis (dort wo das erste mal die Best Practice einen kräftigen Bauchfleck gelandet hat).